Ralf Schönborn:
2009 Dickenschied „Auf dem Kappesacker“ Frühtracht
… – manchmal jedenfalls. Wie man aus einer auf den ersten Blick wenig aufregenden Lage einen zauberhaften Honig machen kann, beweist Ralf Schönborn aus Dickenschied. Und das schon in seinem zweiten Bienenjahr.
Dickenschied? Nie gehört. Das ist auch kaum verwunderlich. Die Homepage der Gemeinde läßt nicht vermuten, daß dort der Papst tanzt, mitten im Hunsrück, auf etwa 400 m. „Auf dem Kappesacker“ – nein, das ist kein Straßenname, sondern eine der alten Flurbezeichnungen, die heutzutage fast nur noch die Alten kennen. Jetzt stehen dort auch Bienen. Rundherum eine sanft gewellte, ackerbaugeprägte Kulturlandschaft mit Raps als größtem Trachtanteil. Ralf berichtet aber, daß sich in der Nähe seines Standes auch Streuobstwiesen und viele Gärten finden.
Die Frühtracht also. Raps. Soso. Das klingt altbekannt, aber so simpel ist es beileibe nicht. Aus dem Stand heraus hat hier ein Jungimker so ziemlich jeden Honigfehler vermieden, den er hätte machen können, und einen mustergültigen Frühtrachthonig hingelegt. Und der zeigt, wozu Raps in der Lage ist.
Ja, der Raps. Die hell altweiße Farbe, die hochvisköse, beinahe stichfeste Konsistenz und die ultrafeine Kandierung verraten die üppigen, gelben Felder, die kaum sehr weit entfernt gewesen sein dürften. Ohne Pollenanalytiker zu sein, dieser Stoff ginge sofort als Sortenhonig durch. Und trotzdem gehört er hier rezensiert: Weil da das entscheidende bißchen mehr ist. Nennen wir es die Seele der Lage.
Die Nase ist sehr zurückhaltend und fein ohne Senfigkeit, die reiner Raps oft mitbringt. Am Gaumen Kühle und Licht – diese Bilder kommen immer wieder bei Honigen, die sehr weit auf der Glucoseseite stehen, also wenig Fruchtzucker enthalten. Und dann kommt das gewisse Etwas im Bukett, das den Honig vom Einheitsraps unterscheidet. Ähnlich wie bei der vor kurzem verkosteten dänischen Frühtracht auch hier wieder etwas zart zitroniges. Und dahinter eine ganz leise, sehr edle Note von Mandeln und Marzipan. Hach, wie schön! Der Abgang ist frisch mit verspielter Säure. Die Wachsnote erscheint darin sehr verhalten und harmonisch eingebunden – Jungfernwaben eben. Ralf imkert nach Dr. Liebig, bebrütete Waben schleudert er nicht.
Ich habe die beschriebene Mandelnote bei Honigen aus sehr starken Bienenvölkern erlebt, die schon die Schlehenblüte im zeitigen Frühjahr in Honig zu verwandeln vermochten, oder bei stärkerem Obstblüteneinschlag. Ob es bei Ralf Schönborn die Schlehen oder doch eher die Streuobstwiesen sind, oder beides – keine Ahnung.
Die Textur zeugt von einem optimalen Wassergehalt. Meine orientierende Messung ergibt 17,5%, ich hatte zwei oder drei Zehntel mehr geschätzt. Wie auch immer – an dem Honig, dieser blitzsauberen Handwerksleistung, gibt es nicht mehr viel zu verbessern. Sein Imker ist gut beraten, seinen Stand, dieses Frühtrachtkleinod, zu hüten wie seinen Augapfel. Hut ab. Mach‘ bloß weiter so.
Lieber neuerhonig, bin gern zum Gegenbesuch vorbeigekommen- und mit dem Lesen noch nicht ganz fertig. Dein Schreibstil zaubert Lächeln, hab vielen Dank dafür 🙂
Eine wunderbare Idee, Honig zu rezensieren. Ich selbst mache dies schon seit Jahren. Aber unbemerkt, ganz für mich. Wo ich bin und es mir gefällt, bringe ich Honig mit als Andenken- und An“schmecken“. Honig als materialisierte Umwelt ist für mich fast etwas Heiliges.
Wie schön, Dich als Honigfreund und Blog-Kollegen online begrüßen zu dürfen! 🙂