Sonja Bisanz:
2009 Schakenburg Sommertracht
Sonja Bisanz aus Bad Rehburg-Loccum tauchte in diesem Frühjahr mit ihrer frühesten Ernte auf unserem Radar auf. Jetzt legt sie nach, und die Fortsetzung ihrer Honigserie macht großen Spaß. Vor allem im Finale.
Spannend ist dabei zunächst ihre unkonventionelle Weise, den diesjährigen Honig zu ernten. Statt Ende Mai eine Frühtracht und Ende Juli eine Sommertracht zu schleudern, hat sie alle paar Wochen Zwischenschleuderungen der jeweils reifen Waben vorgenommen. Dieses Vorgehen ist aufwendig und sicher nichts für immer, ermöglicht aber einen detaillierten Einblick in den Verlauf der Jahreszeiten in den Rehburger Bergen, mit allen Phasen von Mai bis zum August.
Die anfänglichen kleineren Probleme mit der Textur im ersten Honig sind ab Glas Nr. 2 jetzt völlig passé. Schon diese zweite Schleuderung von Anfang Juni mit ihrer schmelzenden Kandierung und Viskosität – das ist norddeutsche Klassik. Aromatisch gibt es viel Ähnlichkeit zur Eröffnungsernte vom Mai. Auch dieser Honig schmeckt rapsbetont und überhaupt nicht tauig, das Bukett ist klar, kühl und geradlinig. Die Wachsnote ist recht stark, wirkt aber noch nicht honigfremd.
Einige Wochen später, mit der nächsten Zwischenernte, kommt der Frühsommer ins Spiel. Das Blütenspektrum ändert sich: der Raps dominiert noch, gibt jetzt aber auch wärmeren, weiterhin blütenbetonten Aromen Raum. Das Bukett wird üppiger, und der in einem der vorigen Gläser von mir noch als recht knapp empfundene Wassergehalt entwickelt in diesem Honig die Aromen schön und differenziert.
Doch der Honig, um den es hier eigentlich geht, ist die letzte Ernte des Jahres – auf dem Bild der letzte in der Reihe.
Es ist noch ein paar Wochen später. Die Rapsfelder und der Weißdorn sind verblüht. Der Charakter des Honigs kippt jetzt völlig aus dem Frühtrachtspektrum heraus. Dies ist die Zeit der komplexen aromatischen Mosaike. Kaum eine Ernte bietet dem Imker – sorry: der Imkerin so viele Überraschungen wie der Sommer, dessen Honigbild viel weniger vorhersehbar ist als das in den Frühtrachten. Und da ist Sonja in diesem Sommer ein kleines Meisterstück gelungen.
Am Gaumen entfaltet sich ein verwobenes Spiel von Assoziationen. Zu Beginn Caramel, gefolgt von ein bißchen salbeiduftender, dezent scharfer Adstringenz, dann ein Hauch Pfefferminze. Jeder einzelne Ton wird leise angedeutet. Nichts dominiert oder drängt die anderen Klänge in den Hintergrund, nicht einmal die Linde, die hier ein ungewohnt zartes Gesicht zeigt. Das ganze Bukett ist perfekte Balance. Zuletzt ein langer, warmer, honigtaugeprägter Abgang, in dem der Salbeiton noch einmal mit feiner Bittere nachklingt.
Doch damit noch nicht genug. Mäßig dunkle Sommerhonige wie dieser tendieren mit der Kandierung fast immer ins Grobe. Die endgültige Konsistenz kann leicht in die Hose gehen, wenn man nach der Ernte nicht aufpaßt. Aber hier? Der stichfest durchkandierte Honig bietet ganz unerwartet eine ultrafeine Textur wie die Frühtracht. Der Wassergehalt ist mit kernigen 17% ideal für diesen Honig. Eine sanfte, schmelzende Weichheit im Mund, kein Krümelchen ist spürbar. Wie um alles in der Welt macht sie das? Ein Hochsommerhonig mit solch einem Frühtrachtschmelz – und das, wie sie versichert, ohne Impfung? Diese ungewöhnliche Miteinander von rapsfeiner Kandierung und taugezeichnetem Sommerbukett ist große Klasse, ein besonderes sensorisches Erlebnis. Ich habe so etwas kaum vorher erlebt. Eine Erklärung dafür fällt mir nicht ein. Man muß ja auch nicht hinter jedes Geheimnis kommen.
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