Peter Scheid:
2009 Senscheid/Trierberg Sommertracht (rotes Etikett)
Die Eifel ist eins der stillsten und schönsten deutschen Mittelgebirge. Eigentlich darf man es gar nicht so laut sagen.
Mitten in der Landeinsamkeit, in einer Dorfbäckerei, die es inzwischen nicht mehr gibt, hatte ich 2007 einen Waldhonig entdeckt, der mich eine Urlaubswoche lang glücklich machte. Warum, kommt gleich. Im Jahr darauf hatte ich nach dem Imker gesucht und ihn schließlich in einem anderen kleinen Dorf in der Hocheifel gefunden. Der 2008er, den ich probierte, war schon wieder so großartig wie der des Vorjahrgangs; meines Erachtens die überragende Spitze seiner Kollektion. Meine Honiglandkarte änderte sich mit Peter Scheids Red Label. Bis dahin waren die besten deutschen Waldhonige, die ich kennenlernen durfte, sämtlich aus Süddeutschland gekommen, ab Taunus abwärts. Frage mich niemand, warum die wenigen nördlicheren Exemplare, die ich probiert hatte, immer so ungehobelt, so wenig harmonisch schmeckten – ich weiß es nicht. Gern lasse ich mich von jedem norddeutscheren Imker eines besseren belehren – der Harz beispielsweise ist für mich noch ein unbeschriebenes Blatt. Bis dahin verläuft für mich der Waldhonigäquator durch die Eifel.
Jacques Berndorf hat den Eifelwäldern in einigen seiner Krimis Denkmäler gesetzt. Es ist kein romantischer Kuschelwald für Picknickdecken im flatternden Grase. Er ist tief, manchmal ungemütlich, manchmal beängstigend; und trotzdem von schwer zu beschreibender Schönheit. Endlose Buchenkathedralen, eichenbewachsene Felshänge, undurchdringliche Dickungen, namenlose, einsame Bachtäler, immer wieder düstere Fichtenforsten und darin stille, weidenröschenbewachsene Lichtungen wie Inseln in der Zeit.
Trierberg heißt der Teil der Gemarkung mitten im Nirgendwo, in der einer der beiden Bienenstände für diesen Honig steht. Der zweite ist unweit davon im Wald bei Senscheid. Die Bienenvölker, die bei Peter Scheid in Holzbeuten wohnen und konsequent ohne synthetische Pestizide gegen die Varroamilbe gehalten werden, werden im Juli das letzte mal abgeerntet. Heraus kommt jetzt, 2009, zum mindestens dritten Mal ein Waldhonig, dessen Aroma für mich Maßstäbe setzt.
Vor mir stehen drei Gläser mit drei Abfülldaten; alle tragen dasselbe rote Schild. (Von einem anderen Stand gibt es einen noch fichtenbetonteren Waldhonig mit grünem Etikett, um den es hier nicht geht.) Nebenbei sind diese drei Gläser noch ein Lehrstück in Sachen Jahrgangs- und Lagencharakteristik.
Machen wir das erste auf, abgefüllt am 1. Oktober. Eine tief dunkelrote Bernsteinfarbe wie in den Vorjahren. Die Viskosität des klaren, unkandierten Honigs ist etwas geringer, als ich sie in Erinnerung hatte, ich messe Mitte 17 Prozent Wasser. Für einen Waldhonig eigentlich ein wenig hoch, aber das ist vergessen, sobald der Löffel im Mund ist. Das Bukett verzaubert einen schon in den ersten Sekunden mit einem völlig eigenen Klang. Viele klassische Waldhonige sind von einem malzigen Aroma bestimmt – hier hingegen spielt das nur im Hintergrund mit. Stattdessen eine knisternde Harzigkeit wie trocknendes Nadelholz in der Sonne. Eng hineinverwoben ist eine nach Maitrieb duftende Frische – wer einmal durch einen Nadelwald gewandert ist, wenn im Vollfrühling die jungen, hellgrünen Fichtentriebe ihre braunen Häutchen abgeworfen haben, wird bescheidwissen. Die für einen Waldhonig überraschend intensive Süße stellt sich selbstbewußt zur Schau, es dürfte eine Blütenbeitracht sein, die dabei hilft. Das ist ein im Bukett beängstigend perfekter, hochindividueller Honig, der seine stille, herbe Landschaft unmittelbar auf die Zunge malt.
Dieses Aromenspiel ist genau das, das ich aus den Vorjahren kannte – Glück des Wiedererkennens; die Lage ist unverwechselbar abgebildet.
In Glas 2 und 3 wartet eine Überraschung. Die Abfüllungen datieren vom 6. und vom 14.10. Beide haben fast dasselbe Bukett wie die eben beschriebene. Darüber legt sich aber – besonders bei der jüngsten – eine herzhafte, fruchtige Säure, die ich schon in anderen diesjährigen Waldhonigen aus ganz anderen Gegenden gefunden habe, und die mir bisher so nicht untergekommen ist. Diese Besonderheit wirkt wie ein Jahrgangsstempel für 2009. Im Hintergrund spielen dabei Pflaumen- und dunkle Kirscharomen mit, die in manchen malzigeren, südlicheren Honigen deutlicher zutage treten; hier in der Eifel dagegen läßt der Harzduft sich den Auftritt nicht stehlen. Als i-Punkt ist der 14.10. mit 16,8% deutlich trockener, was ihm noch mehr wuchtige Dichte und Strahlkraft verleiht.
Ich bin eigentlich ein Gegner des Verflüssigens von kristallisierten Honigen. Dieser Waldhonig kandiert durch eine begleitende Blütentracht vergleichsweise schnell. Das jetzt noch Unkristallisierte, Flüssige paßt aber so maßgeschneidert auf diesen Honig, daß ich wohl gegen meine Regeln verstoßen und den Honig vorsichtig über einen Tag bei 38°C auftauen werde, wenn ich im Winter das Reserveglas hervorhole.
Zuletzt sei bemerkt, daß auch Peter Scheids Frühtrachthonige in diesem Jahr außergewöhnlich gut sind, allen voran eine Raps-Löwenzahn-Kombination aus einer neuen Lage in Gelenberg. Er bat noch um den Hinweis, daß er die Honige grundsätzlich nicht versendet. Wer den lohnenden Weg zu dieser kleinen Imkerei macht, bringe gleich feste Schuhe mit, und einen Tag Zeit, um den Wald auf sich wirken zu lassen. Den Honig sollte man vorher in den Rucksack packen, und den Löffel nicht vergessen.
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