Es geht beim Honig, wie wir ihn meinen, nicht um Raps- oder Kastanienhonig. Es geht um das Geschmacksbild der Landschaft. Raps ist eindimensional. Landschaft ist dagegen unendlich komplex. Sie ist es, die im richtig guten Honig eingefangen wird, weit über den üblichen Sortenhonig hinaus. Solcher Honig ist, wenn er gelingt, unverwechselbar, aufregend, unergründlich.
Wie beim Bruder Wein. Ein Spitzenriesling vom Brauneberger Juffer oder aus dem Norheimer Dellchen schmeckt nach Juffer oder nach Dellchen. Die Rebe bringt mit ihren tiefen Wurzeln den Auszug des Schiefers an der Mosel, oder des Porphyrs an der Nahe in die Trauben. Ein wirklich guter Winzer nimmt sich selbst zurück und macht seine Weinbergslage in aller Eigenheit im Wein erfahrbar.
Der Boden ist der Körper der Landschaft. Das Medium, das ihn im Wein zum klingen bringt sind die Reben. Dem Lagenimker dagegen geht es um das Kleid der Landschaft, die Vegetation. Sein Medium sind seine Bienenvölker.
Das Ardeygebirge in Westfalen. Nur als Beispiel, weil ich mich dort auskenne.
Wenn der Ardey im Frühjahr sein Blütenfeuerwerk eröffnet, beginnend mit den Schlehen, später den Wildkirschen und den Obstwiesen in allen erdenklichen Weißtönen; wenn im Appelsiepen der kleine Rapsschlag gelb wird, wenn kurz darauf der Weißdorn in den Feldgehölzen, in den Weiden der Löwenzahn und dann das Wiesenschaumkraut aufgeht, dann findet all das seinen Ausdruck im Honig – wenn man die Bienen läßt.
Die Bienen zu lassen, bedeutet, sich vom Diktat der reinen Sorten- und Ertragsorientierung zu lösen, zu der der Markt den Imker üblicherweise drängt. Also den Standort gerade nicht dort zu wählen, wo die höchste Erntemenge und die größte Sortenreinheit zu erwarten sind.
Angenommen, ein Imker will mit seinen Bienen die Frühtracht nutzen. Der klassische Standort wäre möglichst dicht neben dem Rapsfeld. Die Bienen befliegen dann fast ausschließlich Rapsblüten, weil sie direkt vor der Haustür liegen und ergiebig sind. Am Ende des Frühlings erntet man eine große Menge sortenreinen Rapshonigs.
Einen Kilometer vom Rapsfeld entfernt aber nutzt das Bienenvolk den Raps nur noch als eine von vielen Trachtquellen. Und jetzt beginnt das, was ich mit der Unverwechselbarkeit der Lage meine, in der der Bienenstock steht. Der Mengenertrag des Imkers nimmt ab, gleichzeitig nimmt die aromatische Tiefe des Honigs sprunghaft zu. Das vielfältige Blühen der Gegend im Flugkreis des Bienenstocks wird von den Bienen verdichtet. Der Honig wird zum konzentrierten Extrakt der Landschaft zu einer bestimmten Jahreszeit. In diesem Beispiel ist es der Frühling.
Statt einer großen Menge Rapshonig haben die Bienen jetzt eine kleinere Menge eines aromatisch komplexen Lagenhonigs gemacht. Man spürt den Raps darin – aber er ist nicht mehr Solist, sondern fügt sich in den Gesamtklang ein. Der Bienenstand bekommt sein Gesicht, seinen Charakter. Allein vom Raps wegzugehen, macht aber den Honig noch nicht zum guten Honig. Es gilt, die Perlen unter den Standorten zu finden. Im Kopf den Traum vom perfekten Gleichgewicht der Aromen.
Hinzu kommen die Witterung, die Überraschungen der Tautrachten, die Vorlieben der einzelnen Bienenvölker und viele Dinge mehr. Sie geben jedem Jahrgang sein eigenes Gepräge und fügen dem Honig eine weitere Dimension hinzu. Das alles will zugelassen werden, damit der Honig das wird, was er sein kann: ein Lebensmittel voller Vielschichtigkeit, Charakter und Faszination.
Dreimal Bravo! 🙂
Gute Honige existieren oft im Schatten der öffentlichen Aufmerksamkeit und können deshalb etwas Lobbyarbeit gebrauchen.
Vielen Dank für die mit viel Fachwissen, Engagement und Herzblut verfassten Beiträge.
Viele Grüße,
Rudi
Endlich fühle ich mich nicht mehr so alleine!
Ich imkere nun das 6.te Jahr und habe bereits ab dem Dritten auf Jahreshonig umgestellt. Dass heißt, ich schleudere keine einzelnen Sorten mehr, sondern lasse das ganze Jahr in einem Glas zusammen kommen. Dadurch bekommen die Kunden eine runde Erfahrung aus der Region.
Es wird Zeit, dass auch beim Honig die Vielfalt gegenüber der Einfalt an Wert gewinnt. Und was soll ich sagen, der Honig kommt super bei den Menschen an!
Diese Idee kam durch den Standort meines Gartens, der an einem steilen alten Weinberg liegt, wo sich Brachflächen voller Wildwuchs (Brommbeeren und Waldrebe, Buddeleia und andere) mit Obstgärten abwechseln und ohne anstrengende Wanderung gar keine Sorten zu erzielen sind. Am Fusse des Odenwaldes gelegen, kombiniert die Gegend Kastanien und Obst, Robinien und Wildkräuter in einer einmaligen Kombination mit der romantischen Gegend verwilderter Gärten.
Den Jahreshonig mit dem Terroir des Weines zu vergleichen, sowie die vielen tollen Beiträge auf dieser interessanten Seite finde ich wirklich gelungen! Weiter so!
Viele Grüße,
Ivo
Das Gesamttracht-Konzept, das Du beschreibst, Ivo, ist in der Tat ziemlich selten; die meisten Imker ernten mindestens zweimal jährlich (schon, weil die oft rapshaltige Frühtracht sonst vor dem Schleudern in der Wabe hart würde und damit verloren wäre.) Wenn Dein Standort einen Gesamttrachthonig erlaubt, glaube ich sofort, daß der aromatisch sehr interessant werden kann.
Du sprichst mir aus der Seele. Als „Jungimker“ habe ich mich von Anfang an an diesen Sortenhonigen gestört und habe deshalb schon immer nach einer passenden Antwort gesucht wie ich meinen Honig aus meinem Reichersdorf den Kunden „rüberbringen“ kann. Ich habe diese Einmaligkeit meines Ortes durch Bilder auf meinen Gläsern versucht weiterzureichen.
Der Begriff „Lagenhonig“ (zumal ich außerdem noch ein Weinliebhaber bin) trifft daher den Sachverhalt wie den Nagel auf den Kopf. Warum ich da selber nicht schon darauf gekommen bin??
Deshalb 100x Bravo!! Weiter so. Wenn ich Dich unterstützen kann, melde Dich. Würde an diesem Thema gerne mitwirken…
Helge Straßer
Es sind tatsächlich nicht wenige Imker, Helge, die ihre Kunden auf die regionale und lokale Prägung ihres Honigs hinweisen. Katja (honigblau) hat mich aber auf den Unterton aufmerksam gemacht, der dabei manchmal zwischen den Zeilen hörbar wird: „der Honig ist gut, obwohl es keine Sorte ist.“ Da liegt der Hase im Pfeffer. Und die Lobbyarbeit, die Rudi Maurer erwähnt, und die herausragende Lagenhonige eigentlich bräuchten, ist gar nicht so einfach zu bewerkstelligen: es geht bei dieser Lobbyarbeit nämlich nicht hautpsächlich um die Breitenwirkung, sondern mehr um die inhaltliche Tiefe. Ziel dieses Blogs ist es also nicht, 10.000 Verbrauchern eine diffuse Vorstellung davon zu geben, daß guter Honig ’ne prima Sache ist. Wenn aber 100 Verbraucher beginnen, sich für den Geschmack der gelbblühenden Wiesen im Frühling zu interessieren, durch die sie am letzten Sonntag gegangen sind, und wenn 10 davon mal zwei lokale Frührachten miteinander vergleichen und ins Staunen kommen, dann war das hier nicht umsonst. (Und wenn dann ein befreundeter Weinkritiker mailt, daß er gerade über einen Honig schier ausflippt, den ich ihm untergejubelt habe, ist das schon ein Sahnehäubchen…)
Danke für Dein Hilfsangebot. Ich werde mich im neuen Jahr ‚mal melden.
Demnächst wird hier übrigens ein Honig mit viel gelbblühender Wiese vorgestellt – der Artikel ist in Arbeit.
Liebe Honigfreunde,
tolle Idee zu meiner Lieblingsspeise Honig.
Freue mich für die Zukunft über viele unterschiedliche Meinungen und Aussagen zu diesem Thema und brauche nicht mehr soviel rumschnüffeln.
So neu ist das Thema Lagenhonig nicht, wusste doch schon immer, dass die komplette Honigsaison im Kasten bei den Hobbyimkern am Besten schmeckt. Mit eurer schönen Homepage bekommt das Thema ein Niveau und zusätzliche Gewichtung.
Grundsätzlich sollten “ Alle “ bei dem Verkauf eines individuellen Lebensmittels ein paar Worte zum Produkt sagen und die Vorzüge benennen.
Mit der entsprechenden Präsentation lassen sich unsere Honige auch im gehobenen Preissegment absetzen.
Grüsse
Euer Honigbär
Daß alle, die guten Honig verkaufen, auch etwas dazu sagen (oder sagen können) sollten – da stimme ich völlig mit Dir überein, Honigbär. Diese Seite, die sich ja (zumindest primär) gar nicht an Imker wendet, möchte darüber hinaus ein Stück dazu beitragen, daß die Menschen, die guten Honig kaufen, Mut zur eigenen „Honigkompetenz“ fassen. Wir wollen also nicht zuletzt die fragenden Kunden stärken. Und: je individueller ein Lebensmittel geprägt ist, je dichter am Verbraucher die, ja: liebevolle Erzeugung geschieht, desto mehr Sinnlichkeit und desto mehr Emotion kann es tragen. Das ist nicht nur beim Honig so. Aber beim Honig ist es besonders schön 🙂 Nur gibt es das für viele Menschen erst noch zu entdecken.
Wie wäre es denn mit einer Tauschbörse für Kleinerzeuger?
Modell:
„Tausche 10 Gläser Honig aus dem Erzgebirgsvorland gegen 10 Gläser Honig aus der Eifel“
… und schon wird aus dem „Wald und Wiesenhonig von „Vor der eigenen Haustür“ ein besonderes Tröpfchen, den ich sonst den Kunden nicht anbieten kann und dem eigenen Absatz kommt die Tauscherei auch noch zugute.
– Sollte ich irgendwann mal (Neuimkerin) Honig aus meiner Südwestlage „Löwenzahnwiese mit Lavendelgeschmack“ ernten, steige ich mit ein!
Auch meine Bienen haben vielfältige Möglichkeiten,einen hervorragenden Mischhonig zu produzieren.(Thüringen).Ich habe ein Bienenhaus mit 7 Völkern.Meine Völker bekommen niemals Zucker als Winterfutter,ich lasse ihnen immer so viel Honig übrig,daß sie gut über den Winter kommen.
Ich bin von der Seite „Neuer Honig“ fasziniert. Herzlichen Glückwunsch auch von meiner Seite.
Einige kleine Anmerkungen hätte ich dennoch: Natürlich ist es etwas ganz Besonderes, die Unterschiede verschiedener Honige, die unter der (Kunst)Bezeichnung Vielblüte laufen, zu verkosten & zu vergleichen.
Wir selbst produzieren als Berufsimker bewusst diese Honige und untergraben hier ein wenig die landläufige Annahme, Honig von Erwerbsimkern würde nur „süß und langweilig“ schmecken.
Die Ernte von deutschen Sortenhonigen und ihre Degustation solltet ihr dennoch nicht aus dem Auge lassen, da sich diese „Sorten“honige von den hinlänglich bekannten aus Frankreich und Italien unterscheiden; die Annahme, es handele sich hierbei um reine dt. monoflorale Trachten, hat spätestens bei der Sortendeklaration und anschließender, planmäßiger, Kontrolle durch das Veterinäramt so manche Imkerkollegen eine Rüge / Beanstandung als „Etikettenschwindel“ eingebracht.
Und hier sind sie dann wieder, die tollen Lagenhonige aus dem Oderbruch (Sonnenblume) oder der Pfalz (Kastanie):
Feinkristallin (nicht homogenisiert, also „cremig“ gerührt), mit Aromen von Zartbitterschokolade und dezenter Marone (Pfälzer Lage bei Landau) – als ginge man über den Weihnachtsmarkt in Paris spazieren: Einfach toll! Pollen aus der Edelkastanientracht: 38 % – hier bleibt viel Platz für Geschamck, Phantasie & mehr …
Dieser Honig geht regelmäßig in die Produktionkette eines bekannten Wurtsfabrikanten, der seine Rotweinsalami hiermit aufpeppt 😉
Er ist total begeistert – und wir? Happy!
Viele Grüße und weiterhin besten Erfolg sendet,
Ramunas