Vom Honigschaum
Nicht zu fassen: es gibt sie, die Leute, die wissen, was das ist und seinen heimlichen Wert ermessen, dieses nirgends käuflichen, köstlichen Zeugs. Und dann noch köstlichere Sachen daraus zaubern können, wie Herr Paulsen in seinem (sehr lesenswerten) Nutriculinary-Blog schreibt.
Wer mal abends in der Milchkammer eines Milchbauern gestanden hat, wenn die meisten Kühe gemolken sind und den Deckel der Kühlung gelupft hat, wird vielleicht das Milchpendant zum Honigschaum gesehen haben. Wenn die Milch weit über 4% Fett hat, bildet sich durch das Rührwerk ein sehr feiner, fester, kalter Schaum, der in üppigen, verlockenden Bergen auf dem weißen See kreist. Glücklich der, dem die Bäuerin eine Schale davon abschöpft. So etwas wird nie in irgend einem Feinkostladen angeboten werden, und doch gehört es zu den Schätzen unter den Lebensmitteln. Selten, unbekannt, vergänglich wie Nachtkerzenblüten, von kaum beschreiblicher Köstlichkeit.
Wer mal einem Imker am Erntetag über die Schulter geschaut hat, wird auf dem frisch gesiebten Honig eine dünne Schaumschicht entdeckt haben – wenn ihn der Duft des Schleuderraums nicht von der unauffälligen Erscheinung ablenkt. Ist der Honig trocken genug (unter 18% Wasser sollte er haben), fällt dieser Schaum nicht in sich zusammen, sondern bildet im Laufe der nächsten zwei Tage im großen Gefäß eine dickere Schicht. Diese wird abgeschöpft und als unverkäufliche, heißgeliebte Nutzlosigkeit im Laufe der nächsten Tage in der Imkerfamilie verzehrt. Auf die Idee, den Abschaum nicht selbst zu essen, sondern an genußbegeisterte Menschen abzugeben, kommt der Imker so wenig wie der Milchbauer.
Das sensorische Erlebnis von frischem Honigschaum zu beschreiben, ist schwierig. Ganz junger, noch flüssiger Blütenhonig hat aromatisch etwas ungestümes, hitziges, oft pfeffriges hinten auf der Zunge. Die Aromen sind noch nicht durch die Kandierung eingebunden und gezügelt, das Bukett ist in seiner Sturm-und-Drang-Phase und beschert einem manchmal atemberaubende Erlebnisse. Im Honigschaum ist dies nochmal potenziert. Hinzu kommt das prickelnd-schmelzende Gefühl der extrem kleinen Bläschen, größenmäßig an der Grenze der Wahrnehmbarkeit, viel feiner als bei Sekt, und noch kitzelnder. Es erscheint wie eine hell leuchtende Honigwolke im Mund, schmelzend und schwerelos.
Daß man daraus so edle Dinge machen kann wie Herr Paulsen beschreibt, war mir völlig neu. Ich hatte mich bisher mit dem Erlebnis begnügt, ein wenig von diesem himmlischen Abfall in seiner rohen Form abzubekommen und mich in jedem Frühling neu darauf gefreut. Aber die Kreativität mancher Genußerzeuger ist grenzenlos. Wie schön!
limonium,
Deine Zeilen zum Abschaum haben mich im letzten Jahr schon sehr inspiriert. Die erste Schleuderung unserer Kölner Südstadt-Blüte war unter anderem deshalb hoch willkommen.. Nun, letzte Woche war es dann so weit.
Der Duft von Honig schon beim Entdeckeln war unbeschreiblich. Wie ein wonniges Vollbad in duftiger Süße.
Großartig auch die leicht salzige Note der bei uns von nun an „Elfenschaum“ genannten Sensation.
Hab Dank für die Sensibilisierung! und herzlich aus Köln grüßt
.Larissa